In meinem aktuellen Insta-Post „Irreführung“ spreche ich ein Thema an, was mir ganz stark unter den Nägeln brennt. Weil es so wichtig ist, es anzusprechen und aufzuklären.

Ich rede von vorschnellen Verdachts- und Falschdiagnosen durch ErzieherInnen, Lehrkräfte, Ärzte, Behörden, Nachbarn, Freunde oder gar Familie im Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten von Kindern.

Wir selbst mussten leider die Erfahrung machen,
von Außenstehenden jahrelang in mehrere falsche Schubladen gesteckt zu werden, was uns nicht nur das Leben, sondern auch die Klärung des Verhaltens und der Diagnostik enorm erschwert hat.

Erst mit Hilfe von verschiedenen Begabungsspezialisten kam Licht ins Dunkel und erklärte plötzlich so Vieles.

Bei meinen Kindern, bei mir und in unserer Familie allgemein.


Deshalb bitte ich eindringlich Jeden, welcher mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, sich diesen Post in Ruhe durchzulesen und auf sich wirken zu lassen. Wenn ich Sie mit meinen Zeilen zu einem Umdenken bewegen kann, umso besser. Für alle Beteiligten.
Vor allem aber für die betreffenden Kinder.


Da es hier auf der Website um Hochbegabte geht, liegt mein Focus folglich und hauptsächlich auf diesen Kindern und Jugendlichen. Doch nicht immer wird ein Kind beizeiten als hochbegabt erkannt. Deshalb ist es wichtig, die Verhaltensweisen zu kennen und sie richtig einordnen zu können. Da unser Wissen und unsere Erfahrungen zu einem großen Ganzen verschmelzen, wird dies ein recht langer Artikel, welchen ich lesefreundlich in mehrere Posts aufgeteilt habe.

Manchmal ist bereits in sehr frühem Kindesalter klar, daß ein Kind irgendwie anders ist, als andere. Manchmal hat es das große Glück und wird in ein förderliches Umfeld hinein geboren, wo man es sieht wie es ist. Oder es muss sich lange Zeit überanpassen und maskieren (sich verstellen oder so tun als sei man wie die anderen), um irgendwie zu überleben und dazu zu gehören, weil es dieses Glück eben nicht hatte oder es nicht gern gesehen ist, daß das Kind so schlau ist. Letzteres ist sehr qualvoll, zieht unglaublich Energie und kann zu sehr ernsten Schwierigkeiten für das Kind und dessen Familie führen!


Bei meinen Kindern dauerte der Klärungsprozess um die Hochbegabung ganze sechs Jahre. Ein halbes Schulleben. Am Anfang war alles gut. Die Erstgeborene ging gern zur Schule, sie war Einserschülerin. Es war klar, sie wird die Erste in der Familie sein, welche an ein Gymnasium gehen wird. Entsprechend stolz war man. Von Hochbegabung hatten wir jedoch noch keine Ahnung. Unser Umfeld auch nicht. Es klappte auch so alles prima. Es gab keine nennenswerten Verhaltensauffälligkeiten. Und damit war gut.

Dies kippte jedoch mit dem Besuch des Gymnasiums. Die Noten sackten nach und nach ab. Mein Kind zog sich immer mehr zurück. Nicht nur von der Familie, was in dem Alter normal wäre, sondern auch von allem anderen. Freunde, Interessen, Schule. Irgendwas stimmte nicht. Aber was? Die Schule war genauso ratlos und konnte keine Antworten geben. Es war somit unser Privatproblem.


Als Eltern will man Antworten haben und der erste Gedanke ist wohl bei den meisten von uns, daß ein Psychiater / Psychologe / eine Psychotherapeutin helfen kann. Doch den Zahn darf ich ziehen. Es kommt immer auf den Kenntnisstand der Person an und bei manchen leider auch auf deren Wohlwollen. Erschwerend kommt hinzu, dass so gut wie keiner weiß, was Underachievment ist und wenn es Komorbitäten mit anderen Beeinträchtigungen gibt, ist der Ofen ganz aus.


In der siebten Klasse war mein Kind also depressiv, quälte sich anfangs noch zur Schule. Doch immer mehr schlichen sich auch Ängste, Schulunlust, Panikattacken und Zwänge ein. Sie wurde immer ruhiger. Schließlich ging sie gar nicht mehr zur Schule. In der Schulsprache spricht man von „Verweigerung„. In Wirklichkeit konnte mein Kind einfach nicht mehr länger so tun, als sei alles in Ordnung. Sie isolierte sich – komplett. Niemand, auch von aussen kam an sie ran. Versuche mit JA und Erziehungshelferin scheiterten kläglich.

Ich sprach mit der Klassenlehrerin, der Direktorin, ließ einen IQ-Test bei einer eigens auf hochsensible, hochbegabte Kinder spezialisierten Psychologin machen. Diese bescheinigte meinem Kind eine durchschnittliche Begabung und auf meine Fragen im Bezug auf die Verhaltensauffälligkeiten, Depressionen im Kontext mit Schule, wusste sie keine Antwort (Obwohl sie genau dies auf ihrer Website erklärte.). Sie überwies uns an eine durchschnittliche Kinder- und Jugendpsychiaterin. In ihrem abschließenden Gutachten kam sie dazu, daß mein Kind eine sozial-emotionale Störung hätte, was ich so gar nicht bestätigen konnte. Wie ich heute weiß, gehört diese Störung zu den vier am häufigsten diagnostizierten Falschdiagnosen bei hochbegabten Kindern und Jugendlichen (siehe Flyer „Doppel- und Fehldiagnosen bei hochbegabten Kindern“; DGHK e.V.) Das aber nur zur Info.


Die Wartezeiten waren schon damals immens und so meldete ich uns bei mehreren „Fachleuten“ und der örtlichen KJP an. Zwischendurch versuchten wir Therapie. Doch nach drei Versuchen, brach mein Kind ab. Niemand konnte oder wollte es verstehen. Es litt die Hölle. Und der Rest der Familie dazu.

Wir wurden zu einer Psychologin ins Gesundheitsamt bestellt. Mein Kind konnte nicht mehr. Ich auch nicht. Ich sagte den Termin ab. Es kam wieder eine Einladung. Ich beschloss hinzufahren und stellte mich in vier Stunden einem regelrechten Fragenmarathon. Für die Psychologin war klar, mein Kind und ich seien das Problem, was ich doch sehr in Frage stellte.


Zu diesem Zeitpunkt befasste ich mich privat aus reinem Interesse mit Hochsensibilität, Hoch- und Vielbegabung. Anne Heintze brachte mich mit ihrem Buch über „Auf viele Arten anders“ auf den richtigen Weg.

Eines Tages, mein Kind hatte gerade Besuch, platzte ich mitten rein und sagte ihr, daß sie doch hochbegabt ist. Alles was ich gelesen hatte, stimmte mit meinem Kind überein. Ab da las ich noch mehr Bücher darüber, und landete schließlich bei Underachievment. Noch was Neues, aber endlich auf dem absolut richtigen Weg. Also brauchte ich jemand, welcher sich auf diesem Gebiet verstand. Ich versuchte es bei der Begabtenförderung und fand sogar eine Fachbeauftragte für Underachievment. Zunächst war man bereit einen erneuten Test zu machen. Allerdings zu einer für mein Kind ungünstigen Zeit und an einem völlig fremden Ort. Alles hätte negativen Einfluss auf das Ergebnis gehabt. Mein Kind wusste es wohl instinktiv, denn zu dem zweiten Test ist es nicht gekommen, da ihr an gesagtem Morgen kurz vorm Termin schlecht wurde und ich den Termin absagen musste.

Die Fachbeauftragte für Underachievment war zunächst bereit, sich mit uns zu treffen und vereinbarte ein Treffen an ihrem Gymnasium, wo sie Lehrkraft für hochbegabte Kinder war. Doch auch dazu ist es nicht gekommen, denn der Kontakt wurde unterbunden und fand nie statt. Sie wünschte uns alles Gute und das war’s. Also standen wir wieder da.


Ich weiß noch genau, wie ich vor dem jungen Arzt und der Oberärztin saß und man mir allen Ernstes einreden wollte, mein Kind sei nicht hochbegabt. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich es zum Glück besser.


Über weitere Umwege gelangte ich aber an einen absoluten Experten. Er kannte sich über alle Facetten bei Hochbegabten aus. Auch bei absolut schwierigen Fällen. Er war das Quäntchen Hoffnung, nachdem was wir bis dahin erleben mussten.

Mein Kind war bereits desillussioniert. Doch ich wollte endlich Klarheit. Wenn ich diese endlich hätte, wüsste ich auch wo ich ansetzen muss, um ihr zu helfen. Einige Telefonate später, trat dann tatsächlich ein, was keiner mehr für möglich hielt. Meine Tochter wurde endlich von Jemandem gesehen, wie sie ist und konnte sie und ihr Verhalten richtig einordnen. Ab da ging es wieder bergauf. Zwar nicht, wie ursprünglich geplant, dafür aber mit viel Lebensfreude und neun Zielen.

Von Jac